Zwischen Aufklärung und Angst-Marketing: Wenn Meinung zum Geschäftsmodell wird – das Geschäft mit der Angst.
In einer Welt voller Unsicherheiten – politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich – wächst das Bedürfnis nach Orientierung. Und das in einer Phase politischer Neujustierung – mit absehbaren Folgen, die, wenig überraschend, wieder vor allem die breite Bevölkerung spüren wird.
Genau hier setzen viele digitale Stimmen an: YouTuber:innen, Coaches, Unternehmer:innen, die sich mit scheinbar „unbequemen Wahrheiten“ positionieren, kritische Themen aufgreifen und versprechen, Zusammenhänge zu beleuchten, die „andere verschweigen“.
Was auf den ersten Blick wie Aufklärung wirkt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen häufig als durchdachtes Geschäft mit der Angst. Ein unschönes Geschäftsmodell. Der Ablauf folgt oft einem bekannten Muster:
- Ein aktuelles, polarisiertes Thema wird aufgegriffen – idealerweise eines, das mit Unsicherheit, Kontrollverlust oder Angst verbunden ist.
- Emotionalisierung: Durch suggestive Sprache, dramatische Musik oder selektive Quellen wird ein Gefühl der Dringlichkeit erzeugt.
- Vertrauensaufbau: Die Präsentierenden geben sich als Teil der „normalen Leute“, als jemand, der „aufgewacht“ ist und helfen möchte. Oft sind sie sogar schon ausgewandert.
- Die Lösung: Im besten Fall folgt dann direkt ein Coaching, günstige Preise für Edelmetalle, ein Beratungspaket, ein Onlinekurs – oder der Zugang zu einer Community, die gegen Gebühr erhältlich ist.
Die Inhalte selbst? Oft eine Zusammenfassung dessen, was bereits an anderer Stelle gesagt oder recherchiert wurde. Fremde Quellen werden neu verpackt, emotional eingefärbt und so aufbereitet, dass sie möglichst viele Klicks generieren – nicht unbedingt neue Erkenntnisse.
Natürlich ist es legitim, Wissen weiterzugeben und Menschen bei der Orientierung zu helfen. Es ist auch zu befürworten, dass diese – in den Hauptmedien – nicht besprochenen Themen doch irgendwie an die Öffentlichkeit gelangen. Problematisch wird es, wenn mit Ängsten gespielt wird, um ein Gefühl von Sicherheit und fachlicher Kompetenz zu verkaufen – sei es in Form von Informationen, Aktien, Edelmetalle, Versicherungen, Produkten oder Zugehörigkeit.
Das ist das eigentliche Geschäft mit der Angst.
Es entsteht ein Paradox: Die Kritik am „System“ wird selbst zum System. Aus Misstrauen wird Markt. Und wer sich emotional verstrickt, merkt manchmal nicht, dass er weniger aufgeklärt, als vielmehr eingenommen wurde.
Fazit
Es ist wichtig, Fragen zu stellen. Es ist gut, kritisch zu sein. Aber ebenso wichtig ist es, sich selbst zu fragen: Wird hier wirklich aufgeklärt – oder soll ich etwas fühlen, das mich in eine Kaufentscheidung lenkt?
Denn manchmal ist das Einzige, was wir in solchen Momenten wirklich brauchen, eine Runde frische Luft (gut für’s Hirn) und etwas Abstand vom Bildschirm.
YouTube-Empfehlungen ohne „Geschäft mit der Angst“
Ein paar Kanäle, die mit sachlichem Blick, viel Fachwissen und oft erhellenden Perspektiven arbeiten – vielleicht nicht immer angstbefreiend, aber aufklärend im besten Sinne. Und vielleicht auch hilfreich, um beim nächsten Mal nicht gegen die eigenen Interessen zu wählen:
Geld für die Welt — Maurice Höfgen
Wohlstand für Alle
Garys Economics
Oder nach Heiner Flassbeck suchen
Man kann in allem einen Selbstzweck finden – wenn man das will. Aber ich finde: Diese YouTuber betreiben nicht jenes Geschäft mit der Angst, das ich hier im Text nur oberflächlich beleuchte.